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... und so war es bei mir.

Ein Rückblick auf eine Seite meines Lebens

Zu jung, mit viel zu wenigen Lebenserfahrungen ging ich aus dem Elternhaus um mit meiner viel zu jungen Familie und einen viel zu altem Eigenheim ein eigenes Leben anzufangen. Damals hatte ich noch keine Ahnung was mich im Leben erwartet.
Das hohe Ziel, das alte Haus zu sanieren stellte sich als gewaltige Herausforderung dar, der ich einfach noch nicht gewachsen war. Mit verbissenem Ehrgeiz, die eigenen Ziele viel zu hoch gesteckt und blind für die Welt um mich herum, sanierte ich Jahr für Jahr unser Eigenheim, mit einer zeitweisen inneren Unzufriedenheit, da ich meinen hohen Anspruch an mich selbst oft nicht gerecht werden konnte. Trotz Dauerbaustelle war meine Frau guter Dinge, denn es ging voran. Die Erziehung unserer beiden Kinder übernahm hauptsächlich sie, da ich kaum Zeit hatte mich um sie zu kümmern. Oft unzufrieden, die eigenen Ziele nicht erreichend, waren die eigenen Kinder so manches mal Zielscheibe meiner Nörgeleien. Immer wieder konnten sie meinen Ansprüchen nicht gerecht werden, Liebe und Zuneigung konnte ich dann auch nur wenig zeigen, "nichts gesagt ist genug gelobt", schließlich haben Kinder zu gehorchen und nicht zu widersprechen. So flüchtete ich mich in meine Bauarbeiten, in denen ich mich ein bisschen verwirklichen konnte. Die berufliche Arbeit entfachte meine Leidenschaft als Techniker. So hatte ich doch tägliche Annerkennung durch viele Menschen, denen ich durch meine Arbeit helfen konnte. Anerkennung, die ich in meiner ganzen Schulzeit schmerzlich vermisst habe.
So bemühte ich mich auch jedem gerecht zu werden und konnte auch keinen Wunsch der Leute ablehnen. Schließlich konnte ich mich ja auch jedes Mal aufs neue beweisen. Mein Alptraum war, zu versagen, oder das Gefühl zu haben, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. So vergingen die Jahre und die Kinder wurden groß.
Die Freude über das Erreichte war immer all zu schnell wieder verflogen. Die schnelle Vergänglichkeit der Dinge wurde mir immer bewusster und Schaffensmüdigkeiten setzten sich immer mehr durch. Zeiten völliger Lustlosigkeiten, gelangweiltes Nichtstuen, fehlende Freude über Erreichtes. Dieser hilflose Zustand war nun auch nicht förderlich für meine Ehe, denn die Bauarbeiten stagnierten. Erkenne musste ich, dass die Freude der Ehefrau über erreichte Bauaktivitäten auch nur von kurzer Dauer war und neue Wünsche nicht lange auf sich warten ließen.
So fehlte mir auch noch eine entschiedene Antriebskraft.
Damals hatte ich noch keine Ahnung von den Dingen die sonst so einen Menschen ausmachen. Menschenkenntnis, Gefühle, Glaube, Liebe, die enge Verbundenheit zwischen Körper und Geist...
So ist es auch nicht verwunderlich, dass so manche Krankheit Ursachen hat, die ich aber immer völlig übersehen habe. Ja, ich glaube sogar das unser Bewusstsein / Unterbewusstsein für unsere Krankheiten mit verantwortlich seien kann.
Schon als kleiner Junge mahnte mich meine Mutter eindringlich " Junge mach die Jacke zu und halte den Hals warm, sonst bekommst du Halsschmerzen und wirst krank".
Ja, Sie hatte so Recht und ich bekam Halsschmerzen und wurde krank. Die Angst vor dem krank werden manifestierte sich in meinem Leben und ich hatte schon Panik davor krank zu werden, besonders wenn besondere Ereignisse wie Urlaub o.ä. bevorstanden und man natürlich auf keinen Fall krank werden wollte, passierte dies regelmäßig.
Eine Herzmuskelentzündung als Jugendlicher zu einer Zeit starker seelischen Belastungen, damals wusste ich gar nicht, was so etwas ist, geschweige denn, dass ich einer ausgesetzt bin ( seelische Belastungen ). Ein Verdacht auf Herzinfarkt als junger Mensch, durch unnötige psychische Belastungen, deren ich mir keinsterweise bewusst war. Ich fand an mir alles normal und bin nicht auf die Idee gekommen, etwas an meinem Leben zu ändern. Alles nur Zufall?
Die " Baumüdigkeit und die Lustlosigkeit" entwickelten sich almälich zu Krise.
Die Kinder waren schon groß und mit meiner Frau lebte ich prima nebeneinander.
Ist das alles im Leben?
Ich fing an alles erreichte in Frage zu stellen, suchte nach Erfüllung in meinen Leben und suchte nach einer inneren Beziehung zu meiner Frau.
Im Laufe der Zeit hatte ich nach und nach einiges über Probleme anderer Menschen, über das Wesen der Frau und über mich selbst erfahren können. Spannend war festzustellen, dass die meisten Menschen sich durch Gefühle stark beeinflussen lassen. Dabei dachte ich doch immer, das Leben sei völlig rational und berechenbar.
So begann meine " Mitlifechrisis".
Als ich anderen erzählte, dass ich in einer MLC stecke, lachten diese mich aus und sagten ich wäre mitte Dreißig dazu viel zu jung. Stimmt nicht, es ist nicht das Alter, sonder die in einer Situation gelebte Zeit die dafür verantwortlich ist. Die Zeit wenn die Kinder langsam aus dem Hause gehen, die Zeit wo man auf sein Leben zurückblickt, seine Fehler erkennt und alles in Frage stellt. Die Zeit wo mann sich verlassen fühlt und nach Halt sucht.
Das Leben ging weiter und in Laufe der Zeit schwanden die Kräfte. Dafür kamen an vielen Stellen kleine Knoten überall an meinen Körper hervor. Machte mir aber darüber keine Sorgen. Erzählte dies beiläufig mal einem Bekannten, der als Heilpraktiker tätig war. "Hast du Kummer oder Sorgen" fragte er mich. Nein, mir geht es gut, sagte ich. Dachte ich.
Selbst zu dieser Zeit hatte ich keine Ahnung was so in mir vorgeht.
Eigentlich ist doch alles OK. Einen guten Job, ein fast fertiges Eigenheim, große Kinder, eine Frau die alles ordentlich macht...eigentlich geht es mir doch gut, oder?
Eine gute Bekannte, der ich manchmal mein Herz ausschüttete, meinte "gehe zum Arzt, geschwollene Lymphknoten sind nicht lustig". Na ja wenn Sie meint...
Monate lang untersuchten die Onkologen und fanden viele Sachen aber keine Ursachen.
Ein halbes Jahr verstrich erfolglos.
Durch Hilfe eines mir bekannten Immunologen gelang schnell die richtige Diagnose: Krebs!
Natürlich, genau das hat mir noch in meiner Sammlung gefehlt.
Der behandelnder Onkologe sagte: "nicht so schlimm, das kriegen wir schon wieder hin. In einen Jahr können Sie wieder zur Arbeit gehen". Einige Untersuchungen weiter: "sieht doch nicht so gut aus".
Mit dieser Diagnose, den Gedanken, nicht mehr heil aus der Sache raus zu kommen, beendete ich meine berufliche Aufgabe und ließ zwangsläufig all die offenen und ungeklärten Dinge liegen, um mich in mein anscheinend unausweichliches Schicksal zu fügen. Abschied nehmen... vielleicht für immer, denn nach einer Stammzellentransplantation schafft es nicht jeder durchzukommen. "Tolle Aussichten", auch nicht so sehr erbauend, wenn dann der Arzt dir erklärt, wie mit einer Höchst-chemo dein gesamtes Immunsystem kaputt gemacht wird, sich deine Schleimhäute ablösen, du nichts mehr essen kannst, nur noch Brechgefühl verspürst (aber dagegen gibt es Medikamente die das lindern, sagt der Arzt) und völlig ohne eigenes Immunsystem, 6 Wochen in einen Quarantänezelt liegst, (denn nur ein Bakterium könnte schon deinen Tod bedeuten ), bis die neuen Stammzellen und das körpereigene Immunsystem sich wieder aufbauen, wenn sie es tun und der Rest deines Körpers noch mitmacht.
Das war damals so eine Zeit der völligen Aussichtslosigkeit, die ich durchlebt habe.
Ist ein schlechtes Gefühl, so als gestandener Mann nicht mehr selbst weiter zu wissen, selber hilflos zu sein, oder etwa noch zur Last des Anderen zu werden, wo doch ein Mann die Dinge immer selbst in den Griff kriegen muss.
Wenn ich schon so totkrank bin, wie mein Arzt dies behauptet, bin ich auch nichts und niemand mehr verpflichtet. Ich löste mich von allem was mich belastet.
Die meisten Menschen wissen gar nicht welche Lasten manchmal auf ihnen liegen, welchen Kummer sie haben und wofür sie sich verantwortlich fühlen. Wir sorgen uns oft viel zu viel, aber die Sorgen ändern ja nicht den Tatbestand, nicht mal ein bisschen. Zielorientiertes Handeln, wo ich die direkte Möglichkeit habe, etwas zu ändern und Gelassenheit wo ich nichts machen kann. Dieses beherzigt, könnte so manche unnötige Last von uns nehmen.
Viele Menschen tragen Ihre Sorgen und Nöte mit sich herum und manchmal machen sie diese auch krank. Nun kommt zu dem Paket der Sorgen und Nöte auch noch eine schlimme Diagnose dazu. Welch unerträgliche Last ruht da auf einem, und wer es nicht schafft sich davon zu befreien, dessen Gesundheit ist sehr gefährdet.
Wie ein kleiner trotziger Junge entzog ich mich allem was mich belastet und wollte mich auch nicht dem ergeben, was mich erwarten würde. Es kam das Gefühl des Abschiednehmens in mir auf, war doch eine Zukunft zu diesem Zeitpunkt, mit den Aussichten, für mich nicht erkennbar. Irgendwann in dieser Zeit musste ich Abstand gewinnen von dem was mich erdrückte. Packte meinen Schlafsack ins Auto und fuhr los. Hauptsache nur los. Etwa eine Woche war ich unterwegs.
Es war so der Punkt im Leben wo man zurückschaut und erkennt, was man alles besser machen könnte und sich fragt, ob man überhaupt noch mal was machen kann, und das erst Ende Dreißig, wo ich doch erst gerade angefangen habe, das Leben richtig zu verstehen. "Mist - Game over".
Inselurlaub wollte ich noch einmal machen, auf den ich mich schon lange gefreut habe.
Parallel zu den Klinikaufenthalten und laufenden Untersuchungen, wollte mein Imuloge mein Immunsystemen entlasten und stärken, stellte eine ausgeprägte Lebensmitteltunverträglichkeit und andere Defizite fest. Mit einem Therapieplan in der Hand, den ich nun anwenden konnte, fuhr ich mit meiner Familie in den Urlaub.
Schön sich von all den Dingen mal zu lösen und Abstand zu gewinnen. Schön zu erleben, dass die alten Sorgen so dahin gehen. An neue wollte ich nicht denken. Wozu auch, so viele Dinge liegen nicht in unseren Händen Die Kräfte kamen langsam wieder und Krankheitssymptome wurden schwächer.
Die Blutwerte wurden deutlich besser. Mein neuer behandelnder Arzt war unsicher welche Therapieform denn nun die geeignete wäre und ließ sich mit der Entscheidung Zeit, da noch einige Gutachten ausstanden und die Werte unerwartet besser wurden. Von dem anfänglichen Interesse, alles über meine Krankheit genau zu verstehen, ließ ich dann schnell ab. So war ich alle paar Tage zu Untersuchung in der Klinik. Wie das Wetter so wechselten auch die behandelnden Ärzte. Aus den Tagen wurden Wochen und aus den Wochen Monate und aus den Monaten Jahre. Bald bin ich wieder zur Arbeit gegangen und das war gut so. Wenn ich mal wieder alle halbe Jahre zur Untersuchung in die Klinik gehe, passiert es manchmal, dass ein Arzt sich wundert, dass ich gar keinen Chemo hatte. Na ja, ich passe da einfach nicht in das übliche Schema. Ich sage dann immer: " Da hat mein Schöpfer seine Hand im Spiel gehabt".
Wahr ist, dass mein Glaube an Jesus Christus mich die ganze Zeit getragen hat und mir Kraft gibt.
In der Zeit des Klinikaufenthaltes sah ich das Elend: Menschen, die mit dem Tot kämpften...
Die Therapie, die Chemo hat die Menschen schwer gezeichnet.
So ging ich zum Gebet in mich: "Herr bewahre mich vor solch einer Therapie"
Ich konnte Abschied nehmen und habe doch so viel Neues bekommen. Hoffnung und Zuversicht. Mein Gesundheitszustand verbesserte sich innerhalb eines Jahres zur Bestform, verbunden mit einer großen Lebensfreude. Ich fühlte mich wie neu geboren, dankbar für jeden Tag.
Musste ich nun so einen Ordnungsgong in meinem Leben bekommen, um zu erkennen dass ich so manches in meinen Leben besser machen sollte? Anscheinend, denn es halfen die früheren " Nackenschläge" nichts.
Ja, so war das damals. Das Leben nimmt wieder seinen gewohnten Lauf und der Alltag hat einen fest im Griff.
Nur muss man all zu sehr aufpassen, das man nicht in alte Strukturen zurück fällt.
Angst vor dem Krankwerden, wie früher, habe ich nun nicht. Und das funktioniert auch, so viele Erkältungen wie früher habe ich nicht mehr. Und wenn, war es wahrscheinlich mal wieder höchste Zeit für eine Auszeit.
An dieser Stelle möchte ich noch kurz eine interessante Geschichte erwähnen.
Es ist eine alten Freundin von mir, jene Freundin gleichen alters, Ehrgeizig im Berufsleben, aufopfernde Mutter zweier netten Kinder und treue Ehefrau zugleich.
Seit der Jugendzeit kennen wir uns.
Es kam dann die Zeit, wo sie über verschiedene gesundheitliche Mängel klagte und nach langer Suche stand die Diagnose fest: MS. Den Krankheitsverlauf und die späteren Behinderungen klar vor Augen wollte sie sich dem nun ergeben und plante schon ihr Haus Behindertengerecht umzubauen.
Teilausfälle, Lähmungen, und halbseitige Erblindungserscheinungen gehörten mittlerweile zum täglichen Erscheinungsbild. Es dauerte aber nicht lange, da suchte sie nach Auswegen aus dem so typischen Krankheitsverlauf. Mit Hilfe eines Heilpraktikers beleuchtete sie ihr Leben und erkannte viele seelische Beklemmungen die äußeren Ursprungs waren. Das Ziel vor Augen, dem vorgezeichneten Weg zu entrinnen und ihr Leben neu zu beginnen, entschloss Sie sich aus der Gegend weg zu ziehen und in einem alten Bauernhaus im Grünen ein anderes Leben zu beginnen. Es dauerte auch nicht lange, da waren alle Vorbereitungen getroffen und der Umzug war erfolgt. Zur Abschlussparty sagte sie mir voller Freude, dass ihr Sehvermögen auf dem einen Auge wieder fast vollständig da währe und ihre Symptome zurückgegangen seien.
Seit einigen Jahren lebt sie nun in ihrem neuen Leben mit neuer Lebensfreude und hat seit dem keinen weiteren Schub bekommen. Schon bemerkenswert, finde ich.
Zeitgleich konnte ich den Werdegang einer Frau, mit gleicher Diagnose ein wenig mitverfolgen. Diese verschloss sich vollkommen und man durfte sie nicht auf Ihre Krankheit ansprechen. Anscheiend konnte sie sich niemandem mitteilen. Sie ist nun ein Pflegefall, so wie es im Lehrbuch zu dieser Krankheit geschrieben steht.
Sensibilisiert durch die eigenen Erfahrungen sprach ich mit einigen anderen Menschen, die eine ähnlich schlechte Diagnose wie ich hatten. Bei ihnen vollzog sich der übliche Werdegang einer solchen Krankheit. Interessant war festzustellen, dass bei allen eine starke anhaltende psychische Belastung der Krankheit vorangingen.
Einen ganz großen Dank möchte ich Doktor Erwin Walraph aussprechen, der mir von Anfang an mit seinem medizinischen Weitblick zur Seite stand, mir den richtigen Therapieplan erarbeitete und durch gezielte Laboruntersuchungen schnell den Zustand meines Immunsystems feststellte, das wohl wichtigste System unseres Körper, welches vermag, uns vor Krankheiten zu schützen. Doch wenn es durch äußere Einflüsse, denen wir ständig ausgesetzt sind, in Schieflage gerät, die körpereigene Abwehr nicht mehr richtig funktioniert, das Immunsystem über- oder unterreagiert, sind Krankheiten Tür und Tor geöffnet. Ich wünschte, dass so manche Fachärzte diesen Faktor besser berücksichtigen würden, die Menschen rechtzeitig erkennen, welche unnötigen Lasten sie ablegen können, zu sich und dem was sie trägt finden.